Die bereits 71-Jährige* Maryam floh zu Fuß aus Afghanistan und lief bis in die Türkei, um Schutz zu suchen. In der Türkei konnte sie die Behörden nicht erreichen, eine Registrierung war unmöglich. Ohnehin erhalten Personen aus Afghanistan nur einen vorübergehenden Schutz, der jederzeit beendet werden kann. Pushbacks nach Afghanistan passieren ständig.
Maryam entschied sich also zur gefährlichen Weiterreise in die EU. Wegen der entsetzlichen Bedingungen in Griechenland führt eine Route aus der Türkei direkt nach Italien. Diese ist besonders gefährlich, führt durch Inselgruppen und seichtes Gewässer.
Maryams seeuntaugliches Boot erlitt Schiffbruch. Allein durch Glück überlebte sie und fand sich jedoch zwischen Stacheldraht und im Nirgendwo in einem Lager wieder, in dem sie der prallen Sonne ausgesetzt war: Leros.
UNHCR informierte uns darüber, dass eine 71-Jährige Frau auf Leros eingetroffen sei. Unsere Kolleg:innen reisten nach Leros, erreichten das Lager, das am Ende einer Landzunge liegt, und trafen Maryam. Sie war krank, müde und verwirrt. Ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich weiter. Das “Closed Controlled Access Centre” konnte sie nicht verlassen, Zugang zu medizinischer Versorgung gab es nicht.
Wir erfuhren jedoch, dass Maryam zwei Söhne in Deutschland hat. Deutschland ist deshalb nach den Regeln des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dafür zuständig, Maryam Schutz zu gewähren. Nur wussten die Behörden überhaupt nicht, wie zu verfahren ist. Wir stellten sicher, dass alle Dokumente Deutschland fristgerecht erreichten und überzeugten das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit rechtlichen Argumenten von seiner Zuständigkeit. Im November wurde Maryam von ihrem Sohn aus Griechenland abgeholt und nach Deutschland begleitet.
Maryams Sohn ließ uns noch eine Nachricht zukommen.
*Name und Alter wurden geändert.
** Da der frühere Name auch als männlicher Name verwendet werden kann, haben wir ihn in Maryam geändert, um Verwechslungen zu vermeiden.