Equal Rights Beyond Borders ist eine griechisch-deutsche NGO für Rechtshilfe.
In Reaktion auf die EU-Türkei-Erklärung vom März 2016 haben wir 2017 unser erstes Büro auf Chios gegründet. Von Anfang an stand die enge Zusammenarbeit zwischen griechischen und deutschen Jurist:innen im Mittelpunkt unserer Arbeit. Unser Ansatz basiert auf europäischer Solidarität, denn das europäische Asylsystem und die EU-Außengrenze gehen uns alle an. Seit dem Jahr 2021 arbeiten wir von Büros in Berlin, Athen, Chios und Kos aus.
Unseren Weg zu Equal Rights Beyond Borders verdanken wir den ungezählten Begegnungen mit guten Freund:innen und starken Verbündeten.
Am 20. März 2016 trat die EU-Türkei-Erklärung in Kraft.
Teil dieser Vereinbarung war, dass Griechenland alle auf den ägäischen Inseln ankommenden Asylsuchenden in die Türkei abschieben sollte. Grundlage dafür war, dass die Türkei als sicherer Drittstaat eingestuft wurde und für Personen, die über die Türkei auf die Inseln einreisten, als zuständiger Staat für die Durchführung des Asylverfahrens angesehen wurde. Wie diese Rückführung aussehen würde, wurde jedoch nicht definiert. Die EU-Hotspots auf den griechischen Inseln wurden dadurch zu Haft- und Abschiebezentren.
Im Mai 2016 reisten einige junge Jurist:innen aus verschiedenen refugee law clinics in Deutschland nach Chios, um mit griechischen Kolleg:innen zu evaluieren, ob sie auf den Inseln von Unterstützung sein könnten. Unter ihnen waren die Gründungsmitglieder von Equal Rights Beyond Borders. Was sie einte, war die Überzeugung, dass qualifizierte Rechtsberatung notwendig ist und, dass die deutsch-griechische Zusammenarbeit ein Ausdruck innereuropäischer Solidarität sein würde. Als Gegenpol zu den EU-Behörden wie EUAA und Frontex, die auf den Inseln das europäische Konstrukt der „Hotspots“ umsetzen, sollte so ein Ausgleich auch auf EU-Ebene durch die Zivilgesellschaft stattfinden.
Bald schafften diese Gründer:innen es, die Diakonie Deutschland und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) als Unterstützer:innen zu gewinnen.
Im Mai 2017 eröffneten wir das erste Büro auf Chios, da der Mangel an Rechtshilfe dort besonders groß war. In diesem Jahr wurde der Bereich der Familienzusammenführung im Dublin-Verfahren als Bereich identifiziert, der eine griechisch-deutsche Kooperation dringend benötigte. Dieser Bereich wurde zum Schwerpunkt von Equal Rights Beyond Borders. Entscheidend war der Vertrauensaufbau zu Asylsuchenden und Geflüchteten, die in dem EU-Hotspot-Lager untergebracht waren.
Equal Rights Beyond Borders war bereits mehr als ein kurzfristiges Projekt. Unser Netzwerk an Migrationsrechtsanwält:innen und NGOs in Griechenland und Deutschland wuchs stetig. Dankbar sind wir vor allem für die Unterstützung von der Churches’ Commission for Migrants in Europe (CCME). Finanziell wurden wir von nun an auch vom International Refugee Assistance Project (IRAP) gefördert.
Konkrete Erfolge im Jahr 2018 waren die Eröffnung unseres Rechtshilfebüros in Athen und die erste erfolgreiche Durchsetzung einer Dublin-Familienzusammenführung vor einem deutschen Verwaltungsgericht. Dieser Erfolg war der Schlüssel zur weiteren Arbeit im Bereich der Dublin-Familienzusammenführung. In dem Rechtsstreit ging es darum, ob Asylsuchenden, die sich in Griechenland aufhalten, ein Rechtsbehelf vor deutschen Gerichten zur Verfügung steht, wenn ihr individuelles Recht auf Familienzusammenführung durch Deutschland verweigert wurde. Das Verwaltungsgericht entschied, dass das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz auch über innereuropäische Grenzen hinweg gewährt werden muss. Seitdem führen wir in solchen Fällen erfolgreich Gerichtsprozesse. Hier zeigt sich, dass strategische Prozessführung praktisch wirksam ist.
Wir erweiterten unseren Arbeitsbereich, und begannen, rechtswidrige Inhaftierungspraktiken anzufechten und vermehrt Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einzureichen.
2018 war auch von einer persönlichen Tragödie geprägt: dem schmerzlichen Verlust einer unserer frühesten Unterstützer, Carsten Hörich. Wir haben ihm viel zu verdanken, beruflich sowie persönlich, und werden uns immer an ihn erinnern.
2019 schufen wir unser Büro in Berlin. Die Kolleg:innen dort befassen sich vor allem mit Fundraising, Social Media, Buchhaltung und Koordinationstätigkeiten.
Zudem ist das Büro zuständig für die Durchführung der Prozessführung im Rahmen der Dublin-Familienzusammenführung. Zur Unterstützung des Projektes werden neben wissenschaftlichen Veröffentlichungen auch zahlreiche Workshops und Schulungen angeboten.
2020 war ein besonders herausforderndes Jahr für Equal Rights Beyond Borders.
Nachdem der türkische Präsident ankündigte, er werde "die Grenzen öffnen" und somit "Millionen" in die Europäische Union lassen, reagierte die griechische Regierung sofort mit der „Schließung“ der Grenzen. Das Recht auf Asyl wurde "ausgesetzt".
Darüber hinaus hatten auch wir mit den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie zu kämpfen. Die Pandemie hatte mit ihrer diskriminierenden Eindämmungspolitik katastrophale Auswirkungen auf die in griechischen Lagern lebenden Menschen. Besonders die anwaltliche Arbeit wurde durch diese Politik zusätzlich erschwert.
Gleichzeitig verzeichneten wir 2020 jedoch auch Erfolge. In Berlin starteten wir zusammen mit unserem Kooperationspartner IRAP ein vom UNHCR finanziertes Projekt zur Familienzusammenführung. Mit diesem Projekt erweiterten wir unsere Arbeit über die EU hinaus, denn im Mittelpunkt stehen unbegleitete Minderjährige aus Ostafrika und dem Nahen Osten, die einen Antrag auf Familienzusammenführung in Deutschland stellen.
Im Januar 2021 eröffneten wir unser Büro auf der Insel Kos. Systematische Inhaftierungen waren ein ständiges Thema, und die Situation wurde durch die anhaltende Covid-19-Pandemie weiter verschärft.
Der Zugang zu Asyl wurde weiter erschwert. Push-Backs und Gewalt an den Grenzen nahmen drastisch zu und die Situation Asylsuchender und Geflüchteter verschlechterte sich weiter.
Gemeinsam mit unseren Kolleg:innen von #LeaveNoOneBehind machten wir das systemische Problem der unwürdigen Lebensbedingungen in den Lagern zu einem inhaltlichen Schwerpunkt unseres Büros in Athen. Dabei beschäftigen wir uns sowohl mit der Situation Asylsucher als auch von Personen, denen bereits Schutz gewährt wurde.
Zur Unterstützung von Personen, denen in Griechenland internationaler Schutz gewährt wurde starteten wir damit, die Lebensbedingungen zu verschriftlichen und Personen in Deutschland gerichtlich zu vertreten, die nach einer Anerkennung durch Griechenland in Deutschland erneut Asyl beantragten.
Im Jahr 2022 verfestigten wir die Arbeit rund um das Thema Inhaftierung und weiteten dieses zusätzlich auch auf das griechische Festland aus.
Die Ausdehnung der Anwendung des hinter der EU-Türkei-Erklärung stehenden Mechanismus auf das Festland führt dazu, dass es auch dort vermehrt zu systematischen Inhaftierungen kommt.
Gleichzeitig wurde auf Kos das von der EU finanzierte Closed Controlled Access Center (CCAC) eröffnet, welches eine große Hafteinrichtung enthält. Die politische Verschärfung und die Tatsache, dass die Türkei seit 2020 keine Personen mehr „zurücknimmt“, führt dazu, dass Menschen oft für einen unbestimmten Zeitraum zu menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert werden.
Wir erweiterten unsere Arbeit um ein Projekt zum Thema sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt. Unser Büro auf Chios übernimmt vermehrt die Vertretung von Frauen, die solche Gewalt überlebt haben. Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet.
Gleichzeitig verschlechterte sich die politische Stimmung in Griechenland weiter. Neben einem Gesetz, das rechtswidrige Registrierungspflichten für NGOs voraussetzt und gegen das wir gemeinsam mit unserem Partner HIAS höchstgerichtlich vorgehen, kommt es vermehrt zur pauschalen Kriminalisierung von NGOs.