Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat am 18.04.2024 geurteilt, dass die Bedingungen auf Chios, Kos und Samos für drei Personen eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen und deshalb Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzten.
Equal Rights Beyond Borders hat zwei der Antragsteller:innen auf Chios und Kos vertreten.
Ein Mann im fortgeschrittenen Alter lebte monatelang in einem Zelt, konnte sich nicht waschen und die aller grundlegendsten Bedürfnisse nicht allein befriedigen – und wurde dennoch von Griechenland allein gelassen und ignoriert. Eine Frau, die schwere sexuelle Gewalt überlebt hat, wurde mehre Monate – gemeinsam mit Männern – inhaftiert. Sie wusste nicht einmal, warum sie festgehalten wurde, es fehlte an jeglicher Information, weshalb der Gerichtshof auch eine Verletzung des Rechts auf Information in Gefangenschaft aus Artikel 5 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention feststellte. Nach ihrer Freilassung war sie obdachlos und lebte in einer Papphütte vor dem Lager, die bei Wind in sich zusammenfiel und nach Regen nicht mehr existierte.
Die Entscheidungen sind ein Fingerzeig. Was die Betroffenen erlebt haben, kann nicht rückgängig gemacht werden, die finanziellen Kompensationen und die Feststellung des Gerichts, dass Menschenrechte verletzt worden sind, mögen eine Genugtuung sein, vor allem aber zeigen sie der Europäischen Union und Griechenland in aller Deutlichkeit auf, dass Menschenrechte unveräußerlich sind, dass sie geschützt werden und stets Maxime staatlichen Handelns sein müssen. Und trotzdem will die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems mehr Lager, mehr Grenzverfahren, mehr Inhaftierung. Dies wird sehenden Auges zu den Bedingungen führen, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nun letztinstanzlich als erniedrigend oder unmenschlich bezeichnet hat.