Der 8. März dient als Tag dazu, der Öffentlichkeit die Diskriminierung von und Gewalt an Frauen ins Bewusstsein zu rufen. Die Zahlen zu Gewalt an Frauen[1] bleiben weiter hoch –schätzungsweise ein Drittel aller Frauen in Europa sind betroffen. Dabei werden jedoch Frauen außer Acht gelassen, die sich innerhalb der EU auf der Flucht befinden, keinen Aufenthaltsstatus besitzen oder aus sonstigen Gründen ohne Papiere sind. Die Dunkelziffer ist nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen bezogen auf diese Frauen jedoch besonders hoch. Denn unabhängig von bestehenden rechtlichen Vorgaben sieht die Wirklichkeit an den EU-Außengrenzen insbesondere für schutzbedürftige Personen dramatisch aus: Menschenunwürdigen Lebensbedingungen, überfüllten Lager und die massenhafte Inhaftierung von Menschen auf der Flucht ignorieren besondere Schutzbedarfe und sind gleichzeitig ein Nährboden für Gewalt - insbesondere an Frauen.
Schutz nur auf dem Papier
Die Istanbul-Konvention, die seit Juni 2023 nun auch für die gesamte EU verpflichtend gilt, fordert einen umfassenden Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt. Dabei gelten die umfassenden Präventiv- sowie Schutzmaßnahmen für alle Frauen verbindlich, unabhängig von der Herkunft, Staatsangehörigkeit und dem aufenthaltsrechtlichen Status. Gleichzeitig hat sich die EU Anfang Februar dieses Jahres auf eine Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt geeinigt. Trotz erheblicher Lücken ist dies grundsätzlich zu begrüßen, jedoch verunmöglichen fehlende Bleiberechtsmöglichkeiten und bestehende Meldepflichten von Stellen an die jeweiligen Ausländerbehörden den effektiven Zugang zu Schutz für Frauen auf der Flucht.
Gerade Frauen, die bereits durch das Erlebte im Herkunftsland sowie auf der Flucht einen besonderen Schutzbedarf aufweisen, werden so von den rechtlich vorgesehenen Schutzmaßnahmen nicht umfasst.
Frauen an der EU-Außengrenzen werden vergessen und sind auf sich allein gestellt
An der Außengrenze gibt es keinen Zugang zu Schutz im Lager und keine Mechanismen oder Verfahren, um diesen zu gewährleisten oder im Falle von Gewalt Unterstützung zu erhalten. Equal Rights Beyond Borders vertritt in Griechenland Überlebende von Folter und geschlechtsbezogener Gewalt, die gemeinsam mit Männern eingesperrt werden, mit unverschließbaren Türen duschen müssen und denen nach Übergriffen medizinische Behandlung verwehrt wird. Das Fehlen von Schutzräumen, gemeinsame sanitäre Einrichtungen, nicht abschließbare Räume und allgemeine Überbelegung sowie der Mangel an sensibilisiertem Sicherheitspersonal und Sozialarbeitenden im Lager führen zu erheblicher Unsicherheit, zu Gefahren und zu Misshandlungen.
Die Realität muss an die rechtlichen Standards angepasst werden
Um den Schutz von Frauen und den Zugang zu Unterstützungsangeboten ernst zu nehmen und umfassend zu gewährleisten ist es daher notwendig, die in der Istanbul-Konvention verpflichtend vorgesehenen Rechte voll umfassend zu gewährleisten. Dies sowohl rechtlich durch Anpassung der EU-Richtlinie als auch und insbesondere faktisch innerhalb der EU sowie an den EU-Außengrenzen – und dies für alle Betroffenen, unabhängig von der Herkunft, Staatsangehörigkeit oder Aufenthaltsstatus. Durch die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist kaum Besserung zu erwarten. Auch Schutzbedürftige werden in Haftlagern an der Außengrenze landen und erst aus den Augen, dann auch aus dem Sinn und dem Gedächtnis verschwinden - wenn niemand an sie denkt.
[1] Wir beziehen dabei alle Personen ein, die sich unter diesen Begriff einordnen und fordern eine Erweiterung des rechtlichen Rahmens auf intergeschlechtliche, agender und nicht-binäre Personen.