Mehr als die Hälfte der 108 Millionen Menschen, die Ende 2022 auf der Flucht waren, wurden unter der Kategorie „Frau“ [1] erfasst. Dabei sind Frauen in einem Umfeld von Flucht und Migration besonders gefährdet. Die reale Gefahr von sexualisierten und geschlechtsbezogenen Übergriffen ist allgegenwärtig – sei es im Herkunftsland, auf der Flucht oder im Aufnahmestaat.
Auch wenn durch verbindliche Vorgaben, wie durch die Istanbul-Konvention des Europarats ein umfassender Schutz vorgesehen ist, ist dieser in der Realität – sowohl an den EU-Außengrenzen als auch in den EU-Binnenstaaten – nirgends zu finden.
Die Istanbul-Konvention, die seit Juni 2023 nun auch für die EU verpflichtend gilt, fordert einen umfassenden Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt. Dabei gelten die umfassenden Präventiv- sowie Schutzmaßnahmen für alle Frauen verbindlich, unabhängig von der Herkunft, Staatsangehörigkeit und dem aufenthaltsrechtlichen Status.
Gleichzeitig hat sich die EU Anfang Februar dieses Jahres auf eine Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt geeinigt. Trotz erheblicher Lücken ist dies grundsätzlich zu begrüßen, jedoch führen fehlende Bleiberechtsmöglichkeiten und bestehende Meldepflichten dazu, dass die Richtlinie nicht nur Gewährleistungen der Istanbul-Konvention des Europarats außer Acht lässt, sondern auch den effektiven Zugang zu Schutz für Frauen auf der Flucht verunmöglichen.
Mit:
Anne Pertsch, Juristin bei Equal
Rights Beyond Borders
Clara Bünger, MdB, Die Linke
Wollen wir die rechtliche Perspektive der bestehenden, sowie geplanten Schutz- und Unterstützungsangebote für Frauen auf der Flucht durchleuchten, die (Nicht-)Umsetzung dieser an den EU-Außengrenzen sowie in Deutschland darstellen und die politischen Perspektiven und Hintergründe erörtern.
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[1] Die besprochenen Regelwerke benutzen den Begriff „Frau“. Wir beziehen dabei alle Personen ein, die sich unter diesen Begriff einordnen.